Wohn-, Alters- und Pflegezentrum «irides», Stiftung Blindenheim Basel

1315
Esch Sintzel Architekten
Fürsorge und Gesundheit
Neubau
Wettbewerb
Selektives Verfahren

Sehbehindertes Leben bedeutet nicht einfach Leben in dunkler Nacht. Viele Menschen mit Sehbehinderung unterscheiden durchaus Hell und Dunkel, und die Dramaturgie der Lichtführung ist bei eingeschränkter Wahrnehmung wohl gar noch wichtiger als bei klarer Sicht. Darum führen alle Wege im Haus ans Tageslicht - und überall dort, wo sie das Licht erreichen, liegen Orte besonderer Bedeutung: Gruppenräume, Gemeinschaftsbereiche und Treppenhäuser.
Selbstverständlich ist hier aber auch der Hörsinn entscheidend. Dabei ist die Absorption wichtig, die Schönheit des Klangs entsteht jedoch durch Diffusion. Aus diesem Grund sind die Decken als Relief gestaltet und weil die Betondecken wegen der grossen Spannweiten nur am Rand ihre statische Dicke benötigen, nehmen sie in der Mitte bereitwillig Einlagen auf. Die entsprechenden Felder beleben und akzentuieren sowohl akustisch wie auch optisch die wichtigen Räume des Hauses.

Bildrechte: Walter Mair (u.a. Cover), Paola Corsini, Micha Geissbühler (Proplaning)

Überlegungen zum Projektantrag

Sinnvoller Einsatz von Beton
Weil der Vorgängerbau sich nicht umbauen liess, war die Antizipation zukünftig notwendiger Veränderungen ein wichtiges Anliegen bei der Planung des Neubaus. Daher ist das Tragwerk aus Beton und auf grosse Spannweiten ausgelegt – so bleibt das Innere veränderbar und so erschweren keine Stützen die Mobilität der Bewohnenden mit Sehbehinderung. Ausserdem sind die Materialeigenschaften von Beton von Vorteil für die Erfüllung der bauphysikalischen und brandschutztechnischen Anforderungen an das Haus.
Materialspezifische Innovationen
Die aus der Parzellengeometrie abgeleitete, polygonale Form der Gebäudeflügel findet ihre Entsprechung nicht nur in den Gebäudegrundrissen, sondern vor allem auch in den Geschossdecken. In die Betonschalungen waren Rauten eingefräst, die nun die Decken rhythmisieren. Durch sie konnten die Matrizen für die verschiedenen akustisch wirksamen Deckenelemente, die Diffusoren und Absorber, einfach und präzise platziert werden.
Interdisziplinäre Ansätze
Die Geschossdecken mit ihren verschiedenen Einlagen im Deckenrelief sind innovativ und konnten nur umgesetzt werden, weil sowohl die Bauherrschaft, als auch Fachplanende und Unternehmen bereit waren mit den Architekturschaffenden die gewohnten Wege des Konstruierens in Beton zu verlassen. Aber auch der Einbezug der Bewohnerschaft war wichtig bei der Entwicklung des Projekts, um ihren spezifischen Bedürfnissen bestmöglich gerecht werden zu können.
Ortsspezifische Gestaltung
Damit der Ersatz für den Bestandsbau in der Innenstadt bleiben kann, muss die enorme Baumasse, die der wachsende Betrieb benötigt, in städtebaulich beengten Verhältnissen untergebracht werden. Gerade in solcherlei Kontext ist es wichtig, dass der Baukörper als selbstbestimmter Akteur wirkt. Ein dreiflügliger Gebäudetyp bildet mit seinen strassenbegleitenden Flügeln einen Riegel, während der dritte Flügel mittig die Hofseite besetzt. Zwischen den Flügeln öffnen sich lauschige, begrünte Höfe.
Gestalterisch-räumliche Konzeption
Viele Sehbehinderte unterscheiden durchaus Hell und Dunkel und die Lichtführung ist bei eingeschränkter Wahrnehmung wohl gar noch wichtiger als bei klarer Sicht. Darum führen alle Wege im Haus ans Tageslicht – und überall dort, wo sie das Licht erreichen, liegen Orte besonderer Bedeutung. Auch die Akustik ist für Sehbehinderte besonders wichtig für die Orientierung. Daher stimmen die Elemente im Deckenrelief den Klang und beleben und akzentuieren auch optisch die wichtigen Räume im Haus.
Durchdachtes Tragwerk
Die Konzeption des Tragwerks ist motiviert von dem Ziel einen möglichst wandelbaren, weil stützenfreien, Innenraum zu schaffen. Dieses Ziel wird durch ein Zusammenspiel verschiedener Massnahmen erreicht. Die Betonelemente in den Fassaden fungieren als Unterzüge und die Geschossdecken sind für maximale Spannweiten ausgelegt. So bleibt dort wo die Deckenstärke statisch nicht notwendig ist Raum für das Deckenrelief, welches die für die Bewohnenden so wichtige akustische Differenzierung löst.
Umfassende Nachhaltigkeit
Der Ersatzneubau für das Zentrum «irides» ist in verschiedener Hinsicht nachhaltig. Dadurch dass es am alten Ort realisiert ist, ist es sparsam bezüglich der Bodennutzung, aber vor allem ist es hierdurch auch sozial nachhaltig, da die Bewohnenden in der Stadt und somit in Interaktion bleiben können. Ausserdem ist es so geplant, dass es einfach umgebaut und umgenutzt werden kann. Eine grosse Photovoltaik-Anlage auf dem Dach trägt zur energetischen Autarkie des Gebäudes bei.

Eigenschaften

Ort
Basel
Baukategorie (SIA 102)
Fürsorge und Gesundheit
Art der Aufgabe
Neubau
Art des Verfahrens
Wettbewerb
Beschaffungsform
Selektives Verfahren
Baukosten in CHF (SIA 416)
50 Mio.
Geschossfläche in m² (SIA 416)
8’750
Planung
2019 → 2024
Fertigstellung
2021 → 2024
Inbetriebnahme
2024

Projektbeteiligte

Bauherrschaft
Baumanagement
Landschaftsarchitektur
Bauingenieurwesen
Andere
Bauphysik
HLKS-Planung
Elektroplanung
Andere
Akustikplanung
Fassadenplanung
Christoph Etter
Andere
Andere
Andere
Farbgestaltung
Archfarbe, Andrea Burkhard